Ein Tagtraum

Hallo Mama!


Kürzlich war’s so heiß, da konnte man sich nur irgendwo in den Schatten legen und vor sich hindösen. Und wie ich da so vor mich hindöse, da denk' ich mir: Was wäre eigentlich, wenn ich der Boss wäre …


Also, nur mal angenommen, ich wäre der Boss. - Ich weiß schon, das dauert noch ein paar Monate. Aber dann, irgendwann werd’ ich ja Boss. Es ist ja nur eine Frage der Zeit. Und dann bin ich plötzlich Boss.


Was ist, wenn ich dann der Boss bin. Man muss ja dann eine Idee haben. Man muss ja wissen: Was macht man anders, wenn es so weit ist. Man ist jetzt der Boss, und alle erwarten: Der macht jetzt was, der neue Boss.


Das kann ja schneller passieren, als man denkt. Zum Beispiel: Morgen bin ich plötzlich der Boss. Oder heute Abend.



CarusosDogBlog - © Claus-Peter Unterberger

Also denk ich so vor mich hin: Wenn ich heute Abend Boss werde, was mach ich dann?


Mal ehrlich, und bei allem Respekt vor meinen Bossen: Wenn ich heute Abend Boss werde, mach ich alles anders. Alles.

Das wichtigste ist natürlich die Fressordnung.


Fressen würden meine Menschen prinzipiell nach mir bekommen. Wo soll denn das hinführen, wenn jeder Nicht-mehr-Boss einfach fressen kann, während ich fresse. Da vergessen die ja alle, dass ich der Boss bin.


Strikte Regeln, in aller Liebe knallhart durchgesetzt: Ich beschaffe das Fressen, deshalb fresse ich als erster. Basta. Und wenn einer ran will ans Fressen, während ich da so gemütlich die Früchte meiner bewundernswerten Geschicklichkeit und meiner fürchterlich Ent-behrungen genieße, dann gibt’s aber was.

Ich hoffe nur, dass das mein Boss nicht so durchzieht, während er noch Boss ist, sonst hab ich ein Problem.

Aber dann ist da ja auch die Geschichte mit meiner Leine. Dieses Gezerre meiner Menschen an meiner Leine ist ja unmöglich. Wenn ich Boss bin, wer-de ich da Zucht und Ordnung reinbringen: Da bleiben alle stehen, wenn ich einen Regenwurm untersuchen muss. Und wenn ich den Fuchs verfolge, laufen alle links rum der Fuchsfährte nach; - hinter mir natürlich, weil ich ja der Boss bin. Einer muss doch klar und deutlich vorgeben, wo es lang geht. Ist ja sonst viel zu gefährlich für das Rudel, und vor allem für die Welpen. - So eine Unordnung, dass mich mein eigener Welpe überholt, das geht ja nicht. ... Hm, solange ich noch Welpe bin, sollte ich das vielleicht etwas mo-derater formulieren. Aber wahr ist es. Ich brauch doch Führung. – Hoppla.

Wenn ich dann heute Abend Boss bin, erwarte ich mir auch einen gewissen Respektabstand meines Rudels zu meiner Boss-Couch. Es ist doch nicht höflich, wenn sich meine Menschen da so einer nach dem anderen an meine Boss-Couch heran schleichen, ihren Kopf auf meine Couch legen und mir per Salamitaktik einen Zentimeter nach dem anderen meinen Platz abluch-sen wollen.

Ich werde da schon beim ersten Zentimeter, den sie ihre Schnauze über den magischen Höflichkeitskreis schieben, klar und deutlich „zurück“ knurren. - So wie ich das gestern bei der Maya gemacht habe, geht’s doch nicht. Wür-de ich mir eiskalt verbieten.

Ich knurre dann einfach „Platz“, und da haben alle zu kuschen. Da wird nicht herum gezuppelt und hin gesessen und weggeschlichen, wenn ich einmal „Platz“ geknurrt habe. Wenn ich „Platz“ geknurrt habe, da bleibt alles „Platz“, bis ich wieder Befehl zum Laufen gebe. Sonst kann ich als Boss ja gar nicht ausruhen.

Also ich werde den, der der da nicht einfach „Platz“ bleibt, ganz schön durch die Gegend scheuchen, - so weit von mir weg, dass er Angst bekommt, dass er nicht mehr so hoch in meiner Hierarchie steht. Was meint Ihr, wie schnell der nächstes Mal „Platz“ bleibt, wenn ich den Befehl „Platz“ gebe. Es ist doch ein Privileg, ganz nahe bei mir „Platz“ machen zu dürfen. Ich lieg' ja auch so gern bei meinen Bossen, solange ich noch nicht selber Boss bin. - Aber ... warum zupple ich denn dann eigentlich immer so rum? Das würd’ ich mir so-fort austreiben.

Aber wenn ich mir selber alles austreiben muss, wenn ich dann heute Abend Boss bin, dann ist das ja auch kein Spaß.

Boss sein ist gar nicht so lustig. Boss zu werden ist nicht schwer, Boss zu sein dagegen sehr: Da muss man ja selber so fürchterlich diszipliniert sein. Und dazu brauch ich nicht gleich Boss werden. Das kann ich bequemer auch haben.

Hm – ich glaub', ich verschiebe das noch ein bisschen mit dem Boss-Werden. Weil Welpe sein und die Nervenstärke der Bosse ausprobieren, ist gar nicht so schlecht. Ich hab ja immerhin auch Welpenschutz: Sie finden manche Ungeschicklichkeiten und Unarten einfach ganz süß und lassen mir deshalb noch einiges durchgehen, was ich mir nicht mehr durchgehen lassen würde, wenn ich Boss wäre.

Also, ich glaube, ich mach das mit dem Boss-Sein erst morgen. - Oder vielleicht nächste Woche oder so. Ich kann das ja machen, wenn ich kein Welpe mehr bin. Weil dann muss ich ja so oder so disziplinierter sein. Also, wenn ich einmal ganz diszipliniert bin und schon langsam eine Familie gründen kann, dann wird’s aktuell. Da werd ich dann Boss.

Mein Boss hat gerade gerufen, weil es Fressen gibt. Irgendwie bin ich froh, dass ich mich noch nicht selber drum kümmern muss. Dann mach ich jetzt halt ein besonders schönes „Sitz“ bevor er mir meine Schüssel gibt. Er ist ja auch (noch) der Boss.


Also, ab die Post, ciao,

Caruso

© 2009 - 2021 Claus-Peter Unterberger